50 Jahre Schutz von Fels und Falken

Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz · AGW 1965 – 2015

Festakt im Stuttgarter Naturkundemuseum

Mit einem Festakt im Stuttgarter Naturkundemuseum am Löwentor feierte die Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz (AGW) im NABU Baden-Württemberg am 15. November 2015 den 50. Jahrestag ihrer Gründung.

50 Jahre Wanderfalkenschutz (Foto: F. Mauz).
50 Jahre Wanderfalkenschutz (Foto: F. Mauz).

Rund 150 Mitarbeiter und interessierte Fachleute aus dem ganzen Bundesgebiet waren der Einladung der AGW gefolgt sich bei der Jubiläumstagung über die zurückliegenden Leistungen und die aktuellen Herausforderungen des Wanderfalkenschutzes zu informieren und auszutauschen.

Festlich eingeleitet wurde die Tagung durch ein Ensemble der Musikschule Wendlingen sowie zahlreiche Grußworte und Glückwünsche aus Politik und Naturschutz. Andre Baumann, Landesvorsitzender des NABU, führte durch die Veranstaltung. Der Festvortrag über neue Erkenntnisse der Satelliten-Telemetrie bei Falken, insbesondere bei fernziehenden Kleinfalken, wurde von Bernd-Ulrich Meyburg (Berlin) gehalten. Über die langjährigen Aktivitäten der AGW berichtete Frank Rau im Rahmen des Vortrags über die Bestands- und Arealentwicklung von Wanderfalken und Uhus in Baden-Württemberg im Zeitraum von 1965 bis 2015. Abgerundet wurde das Programm durch die Uraufführung des Films „Aus der Welt des Wanderfalken“ von Claus und Ingrid König (Ludwigsburg).

Die drei langjährigen Vorstandsmitglieder der AGW Jürgen Becht, Rudolf Lühl und Gerhard Kersting wurden anlässlich des Jubiläums mit der goldenen Ehrennadel des NABUs, der höchsten Ehrung des als „Deutscher Bund für Vogelschutz“ (DBV) gegründeten Naturschutzverbands, ausgezeichnet. „Jürgen Becht, Rudolf Lühl und Gerhard Kersting haben sich um den Greifvogelschutz verdient gemacht. Sie auszuzeichnen, ist mir eine Freude und Ehre gleichermaßen“, betonte Andre Baumann in seiner Laudatio.

50 Jahre Arbeitsgemeinschaft Wanderfalkenschutz in Baden-Württemberg (AGW) – das ist ein bemerkenswertes Jubiläum! Es gibt in Deutschland nur ganz wenige Organisationen, die sich seit einem halben Jahrhundert kontinuierlich für den Naturschutz, konkret für den Schutz einer Art und deren Lebensraum, den Felsbiotopen, eingesetzt haben. 1965 gab es in ganz Baden-Württemberg nur noch knapp 50 Wanderfalkenpaare – im übrigen Deutschland war er wegen hoher Belastungen mit chlororganischen Bioziden (besonders DDT) und Quecksilber bereits damals praktisch ausgestorben. Das absolute Bestandsminimum war 1972 mit landesweit nur noch 26 Paaren erreicht. Viele Fachleute gingen damals davon aus, dass der Wanderfalke in Deutschland verloren sei, dass Schutzbemühungen auch in Baden-Württemberg vergebens sein würden.

Glücklicherweise teilten die Pioniere der AGW diese fatalistische Einschätzung nicht. Sie veranlassten das schnell Machbare und dringend Notwendige: Durch Dauerwachen musste das Aushorsten der letzten Bruten verhindert werden und durch den Bau von künstlichen Nisthilfen konnte das Überleben dieses symbolträchtigen Vogels in letzter Minute maßgeblich unterstützt werden. Das bundesweite DDT-Verbot ab 1972 kam gerade noch rechtzeitig. Eine Erfolgsgeschichte des ehrenamtlichen Naturschutzes hatte ihren Anfang genommen.

Fünf Jahrzehnte nach Gründung der AGW sind nicht nur Wanderfalken wieder landesweit verbreitet, sondern auch die Felsbrüter Uhus und Kolkraben sind, nachdem sie ausgestorben waren, wieder in ganz Baden-Württemberg vorkommende Brutvögel. Beide Arten etablierten sich durch natürliche Einwanderung und Ausbreitung und erobern ausgehend von den Mittelgebirgen mittlerweile auch die tieferen Lagen des Landes erfolgreich. Seit einigen Jahren wird im Schwarzwald die Neuansiedlung der aus dem Alpenraum stammenden Felsenschwalbe als weitere felsbrütende Art verfolgt. Mit Sorge hingegen wird weiterhin die negative Entwicklung der felsbrütenden Dohlen im Land beobachtet.

Wanderfalken und Uhus besiedeln ähnliche Standorte und konkurrieren um Brutplätze. Dank der langjährigen Erfahrungen und der umfangreichen Datengrundlage der AGW lässt sich das aktuell ablaufende „ökologische Freilandexperiment“ mit den begleitenden populationsdynamischen Prozessen beobachten, dokumentieren und analysieren. Dieser in Baden-Württemberg natürlich und ungesteuert ablaufende Prozess wird von AGW in ihrem Selbstverständnis als Partner und Anwalt der gesamten felsbewohnenden Fauna und Flora wohlwollend und mit Interesse begleitet. Aus all diesen Erkenntnissen heraus ergeben sich eine Reihe von Fragen, deren Bearbeitung und Beantwortung für die AGW zukunftsweisend sein wird.

Der Wanderfalke – gerettet? Ja, aber die Zukunft muss weiterhin differenziert betrachtet und begleitet werden. Der Falke wird immer noch verfolgt, vergiftet und in seinem Lebensraum bedrängt. Der immense Einsatz von Pestiziden in der Landwirtschaft, der zunehmende Freizeitdruck und die anscheinend unaufhaltsam fortschreitende Intensivierung der Landschaftsnutzung tragen dazu bei, dass die Natur immer mehr zur Kulisse degradiert wird.

Der Wanderfalke – kaum ein anderes Lebewesen steht besser für erfolgreichen ehrenamtlichen Vogel-, Biotop- und Naturschutz. Sein Bestand in Baden-Württemberg und in Deutschland ist dank des Engagements vieler Freiwilliger aus AGW und ihren Schwesterorganisationen gesichert. Aber nach 50 Jahren Einsatz wissen wir: Die Felsen und ihre Bewohner brauchen weiterhin ihre Paten!